Raus aus der Wohlfühlecke

Zu sehen sind v.l.n.r. Max Wetterauer, Jens Foell, Tom Wellmann, Achim Hofmann, Marita Friesen, Valentin Kleinpeter und Christan Spannagel vor dem Schriftzug #PHHD.

Von Mathematik bis Philosophie – beim 2. Science Slam der PH Heidelberg war für alle etwas dabei. Max berichtet über einen erfolgreichen Abend und darüber, wo die Wohlfühlecken der Wissenschaft enden.

Wer nur sachlich über die eigene Forschung spricht, wird weniger gehört. So argumentierte Gastredner Dr. Jens Foell, der den zweiten Science Slam der Pädagogischen Hochschule Heidelberg am 14. November 2024 im Café Leitstelle eröffnete. Jens ist Wissenschaftsredakteur bei Maithink X und hat gerade ein Buch geschrieben mit dem passenden Titel „Fakten sind auch nur Meinungen„. Er argumentiert: Die Zone guter wissenschaftlicher Arbeit sei genau dann erreicht, wenn Wissenschaftler:innen auch Meinungen und Wertungen zuließen.

Anders gesagt: Die Wissenschaft muss raus aus der Wohlfühlecke, wenn sie mitreden will! Einen passenderen Einstieg hätte es für den Abend nicht geben können. Aber von vorn.

Zu sehen ist Dr. Jens Foell bei seinem Vortrag mit Mikrofon in der Hand.
Jens Foell über Meinungen und Fakten. Foto: PHHD.

Betreff: Anfrage Science Slam

Zuerst einmal zum Format: Beim Science Slam stellen Wissenschaftler:innen ihre Forschung in elf Minuten vor. Diese Slams dürfen lustig sein, kurzweilig, informativ und kreativ. Sie sollen obendrein auch für ein fachfremdes Publikum verständlich sein. Für mich war es nach 2023 der zweite Science Slam, den ich für die Hochschule organisiert habe. ich hatte also schon einige Erfahrungswerte. Im Frühjahr habe ich dafür im Haus mehrere Aufrufe gestartet und schließlich fünf Slammer:innen gefunden:

  • Prof. Dr. Marita Friesen, heiEDUCATION-Professorin für Fachdidaktik aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich
  • Dr. Achim Hofmann, Akademischer Mitarbeiter im Institut für Philosophie und Theologie
  • Valentin Kleinpeter, Doktorand im Fach Biologie
  • Prof. Dr. Christian Spannagel, Professor für Mathematik und ihre Didaktik
  • JProf. Dr. Tom Wellmann, Juniorprofessor für Praktische Philosophie und ihre Didaktik

Diese fünf sollten in ihrer Vorbereitung bestmöglich unterstützt werden: Mit Sparrings und regelmäßigen Feedback-Schleifen sowie einem professionellen Coaching sollten sie optimal auf Science Slam vorbereitet werden. Denn das Format bedeutet eine Menge Arbeit für die Wissenschaftler:innen. Stellt euch vor: Ihr arbeitet drei Jahre an einem Forschungsthema, seid tief in der Materie drin und sollt das dann auf elf unterhaltsame Minuten zusammenstampfen.

Zu sehen ist das Publikum beim Science Slam im Café Leitstelle.
Volles Haus im Café Leitstelle. Foto: PHHD.

Der November rückte näher und die Zeichen standen gut: Die Slammer:innen haben die Vorbereitungszeit intensiv genutzt und sehr kreative Ideen entwickelt. Und dass das Interesse an der Veranstaltung groß würde, hatte ich wegen vieler Anfragen schon vorher geahnt. Das Café Leitstelle war dann auch tatsächlich rasch gefüllt, sodass wir eine Viertelstunde vor Beginn des Science Slams die Türen schließen mussten.

Es konnte losgehen!

Ich habe mir vorgenommen, die Science Slams der PH Heidelberg möglichst interaktiv zu halten. Zu Beginn habe ich daher einige Rollen im Publikum verteilt. Es galt acht zufällige Jury-Mitglieder auszuwählen, die am Ende die Slammer:innen in verschiedenen Kategorien auszeichnen, z.B. als Powerpoint-Virtuosin, Feel Good Scientist oder als Ruhepol des Wissens. Außerdem wachte jemand aus dem Publikum als offizielle „Time Keeperin“ darüber, dass die Slammer:innen nicht mehr als elf Minuten auf der Bühne standen. Und schlussendlich wurde auch die Reihenfolge der Slammer:innen vom Publikum gelost.

Die fünf Slam-Beiträge

Als erstes wurde Christian Spannagel aus dem Lostopf gezogen, der mit einer Mission auf der Bühne stand: das negative Bild der Mathematik zu verbessern und Vorbehalte abzubauen. Das machte er, indem er mit dem Publikum an der digitalen Tafel einige Regeln (z.B. warum kann man nicht durch 0 teilen?) durchging. Wer sich damit näher befassen will, sollte bei seinem Projekt True Math vorbeischauen.

Als nächstes wurde Achim Hofmann aus dem Topf gezogen, der seine Dissertation über Gott im Kino vorstellte. Seine These in aller Kürze: Ein Kinobesuch kann eine ähnlich intensive Erfahrung sein wie ein Gebet. Im Forschungspodcast Bildungsplausch hat Achim schon einmal darüber gesprochen, falls ihr euch dafür interessiert.

Danach übernahm Valentin Kleinpeter, der sich in seiner Dissertation mit sexueller Bildung auseinandersetzt. Um klar zu machen, wie es darum an unseren (Hoch-)Schulen steht, brachte er nicht nur einige Zitate und Zeichnungen mit, sondern auch Doris – ein Klitorismodell aus Stoff, das bei der Aufklärung helfen soll.

Die vierte Slammerin war Marita Friesen, deren Einstieg mir besonders im Kopf geblieben ist: Sie hat das Publikum gefragt, was es mit Superheldinnen und Superhelden verbindet. Sofort kamen Rufe nach Batman, Superman oder Wonder Woman. Doch Marita entgegnete: Lehrkräfte bringen alles mit, was diese Superheld:innen auszeichnet! Sie lösen Probleme, besitzen besonderes Wissen und verfügen über besondere Fähigkeiten.

Zum Schluss wurde es philosophisch: Tom Wellmann sprach über die aktivistische Skepsis und brachte als Beispiel eine klassische Übung aus der Philosophie mit. Er behauptete, die Welt sei erst vor fünf Minuten entstanden und das Publikum solle ihn erst einmal vom Gegenteil überzeugen.

Die Wohlfühlecke

Nachdem die Slammer:innen ihre Auftritt absolviert hatten, kam der große Moment der Jury. Sie überreichten acht Medaillen an die fünf Wissenschaftler:innen auf der Bühne. Ich war sehr happy: Die Beiträge waren super, das Publikum war durchweg mit einbezogen, es wurde viel gelacht, die Stimmung war ausgelassen und ein wirklich gelungener Abend ging zu Ende. Mit über 120 Leuten war das Café Leitstelle bis auf den letzten Platz gefüllt.

Wenn ich mit etwas Abstand über den Science Slam nachdenke, wird mir immer klarer, wie treffend Jens‘ Einstieg war: Alle fünf Slammer:innen haben sich mit einer guten Dosis von Wertungen und Emotionen aus ihrer Wohlfühlecke herausgewagt und damit die Zone guter wissenschaftlicher Arbeit betreten. Jeder Beitrag brachte eine starke Take-Home-Message mit („Rettet das Kino!“ oder „Lehrkräfte sind Superheld:innen!“) und jede:r Slammer:in spielte mit Emotionen des Publikums („Keine Angst vor Mathematik!“ oder „Keine Scham bei sexueller Bildung!“).

Mich hat der tolle Abend motiviert, auch im nächsten Jahr wieder einen Science Slam anzubieten. Vielleicht habt ihr Lust, euch 2025 auch aus der Wohlfühlecke zu wagen und euch auf der Bühne auszuprobieren? Egal, ob Dissertationsthema, Masterarbeit oder das wissenschaftliche Lieblingsthema – der Science Slam ist eine offene Bühne für alle Mitglieder der PH Heidelberg.

Ich freue mich auf den dritten Science Slam mit euch!

Autor: Max Wetterauer, Transfermanager der PH Heidelberg

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