Was macht ein Geschichtsprofessor den ganzen Tag?

Zu sehen ist der Professor Marco Dräger.

Dr. Marco Dräger, Professor für Geschichte und ihre Didaktik, gibt einen Einblick in seine Tätigkeit als Autor und Herausgeber der Unterrichtszeitschrift Geschichte lernen.

Die meisten Studierenden kennen Professor:innen vor allem aus Vorlesungen, Seminaren, Übungen etc. Aber was machen sie eigentlich außerdem noch? Die anderen Aufgabenbereiche wie Verwalten, Forschen und Veröffentlichen geraten meistens nicht in den Blick der Studierenden, dabei sind diese Tätigkeiten bisweilen sehr viel umfangreicher als die Lehre. So übernehmen zahlreiche Lehrende z. B. Funktionen in wissenschaftlichen Gremien oder Publikationsorganen und sorgen auf diese Weise für Transfer ihrer eigenen Forschungserkenntnisse über die eigene Hochschule hinaus.

Was ist eigentlich eine Unterrichtzeitschrift?

Für Pädagogische Hochschulen ist der Bezug zu konkretem Unterricht ja besonders wichtig, Engagement der Lehrenden in diesem Bereich erscheint daher als besonders sinnvoll. Unterrichtszeitschriften wie z. B. Geschichte lernen richten sich an Lehrkräfte und vermitteln Inhalte und Kompetenzen fachlich fundiert und zugleich schülerorientiert. Die Hefte erscheinen regelmäßig und haben wechselnde Schwerpunkte, sie sind unterschiedlichen Themen, Methoden oder Medien gewidmet und auch der Kreis der Autor:innen ist niemals gleich.

Ein Basisartikel skizziert die wissenschaftlichen sowie didaktischen Hintergründe des Heftthemas; der Praxisteil enthält direkt einsetzbare Unterrichtsentwürfe mit abwechslungsreichen, zielgruppengerecht didaktisierten Materialien. Ein Forum bietet z. B. Rezensionen von Kinder- und Jugendbüchern zum Heftthema oder stellt Klausurvorschläge vor. Die Hefte haben einen Vorlauf von ca. anderthalb bis zwei Jahren, so dass in der Regel genügend Zeit bleibt, um Beiträge zu verfassen.

Planung und Wirklichkeit – zwei Seiten einer Medaille

Wie im Leben nicht immer alles nach Plan läuft, so tut es das auch bei Unterrichtszeitschriften nicht. Manchmal fällt ein Beitrag aus oder platzt in (vor-)letzter Sekunde aus unterschiedlichen Gründen. Dann fragt die Redaktion an, ob man denn nicht spontan eine Idee habe oder diesen oder jenen bereits vor längerer Zeit geäußerten (und bislang mit Händen und Füßen abgewehrten) Wunsch nicht endlich einmal umsetzen könne oder wolle. Dann ist von jetzt auf gleich Spontanität und Kreativität gefragt, gilt es doch, den engen Zeitplan (Manuskripteinreichung, Rückmeldung, Überarbeitung, Satz, Korrektur der Druckfahnen und Drucktermin) einzuhalten.

Nach einem kurzen Brainstorming kommt meist eine tragfähige Idee zustande, die sich im Rahmen der verbleibenden Zeit noch umsetzen lässt. Dieses Mal entschied ich mich z. B. für einen Klausurvorschlag zu einem „Klassiker“ des Geschichtsunterrichts, nämlich die Kombination aus Ideologie und Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus. Damit konnte ich zum einen auf meine frühere Tätigkeit als Lehrer zurückgreifen, zum anderen an vorherige Forschungen und Veröffentlichungen anknüpfen.

Ein Klausurvorschlag

Als Materialgrundlage dient eine Wahlkampfrede Adolf Hitlers, die er am 2. Dezember 1938 vor NSDAP-Mitgliedern und -Funktionären in Reichenberg (heute: Liberec, Tschechien) gehalten hat. Gemäß dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 trat die Tschechoslowakei das Sudetenland an das Deutsche Reich ab. Um die Aneignung dieses Gebietes als rechtmäßig erscheinen zu lassen, fand dort am 4. Dezember 1938 eine Nachwahl zum Reichstag statt, bei der nur Kandidaten der NSDAP zugelassen waren.

Zu sehen ist das Titelblatt der NS-Propaganda-Zeitschrift "Völkischer Beobachter"
Titelblatt des nationalsozialistischen Propagandablatts „Völkischer Beobachter“ vom 3. Dezember 1938. Darin wird Bezug genommen auf die Rede Hitlers in Reichenberg. Foto: ANNO/Österreichische Nationalbibliothek.

Die Rede wurde sowohl im Rundfunk übertragen als auch in der Zeitung Völkischer Beobachter abgedruckt. Gleichwohl ist der Wortlaut nirgendwo einheitlich und vollständig überliefert und es galt also zunächst, den Text zu rekonstruieren. Dabei handelt es sich um eine ganz grundlegende Aufgabe (geschichts-)wissenschaftlichen Arbeitens, wie man sie zu Beginn des Studiums lernt und später tatsächlich auch braucht. Zwecks Textkritik wurden Archive und Bibliotheken kontaktiert und aufgesucht, Scans und Audioaufnahmen wurden angefordert.

Nach der Edition mussten im nächsten Schritt noch didaktisch sinnvolle Aufgabenstellungen formuliert und ein Erwartungshorizont skizziert werden. Parallel dazu kümmerte sich die Redaktion darum, die Rechte für die Veröffentlichung einzuholen, damit alles rechtzeitig bis zum Drucktermin vorlag und das Heft pünktlich erscheinen konnte.

Geschafft! Mittlerweile ist das Heft erschienen. Sie können hier einen Blick auf den Klausurvorschlag werfen, der in Abhängigkeit vom Leistungsniveau der jeweiligen Lerngruppe sowohl am Ende der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II eingesetzt werden kann.

Link: „Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“. Ein Klausurvorschlag für die Sekundarstufe I und II

Autor: Prof. Dr. Marco Dräger, Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der PH Heidelberg

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