Vom 22. bis 25. Mai verwandelte sich die Heidelberger Altstadt in einen Ort des Austauschs, Denkens und Feierns: Das 36. Heidelberger Symposium lud unter dem Motto „UnUmdenkbar“ zu vier Tagen voller Vorträge, Diskussionen, Workshops und Abendprogramm ein – und wir waren Teil davon. Das Symposium wurde nämlich mit einer Vernissage eröffnet, bei der wir – drei Kunst-Studentinnen der PH Heidelberg – maßgeblich beteiligt waren. Wir wollten zeigen, wie man das Motto auch künstlerisch zeigen und sich damit auseinandersetzen kann.
Das sind unsere Beiträge gewesen:
Johanna Zimmermann: Kunst Umdenken
Ich lasse mich bei meiner Arbeit stark von der Natur und verschiedenen Materialien inspirieren, insbesondere von deren Formen, Linien und Strukturen. Dabei versuche ich eben diese einzufangen, aufzugreifen und in eine zeitgenössische, künstlerische Sprache zu übersetzen. Als ich das Thema des Symposiums hörte, dachte ich mir: Kunst „Umdenken“ heißt, sich weg von dem Gedanken „nur Bilder sind Kunst“ zu bewegen, hin zu einer räumlichen, ganzheitlichen Erfahrung. Kunst Umdenken bedeutet, sie auch auf andere Weise erlebbar und spürbar zu machen. Also entschied ich mich, eine Installation zu erarbeiten, die diesen ersten Gedanken widerspiegelt.
Wir hatten dann eine örtliche Begehung mit den Verantwortlichen in der Uni und da wurde deutlich: Man darf nichts an die Decke hängen, man darf nichts an die Wände hängen, man braucht einen Fluchtweg und es darf nicht brennen… was kann man mit diesen Vorgaben dann überhaupt noch machen? Ich ging also auf die Suche nach Möglichkeiten, etwas räumlich zu installieren und nach Material, welches schwer entflammbar ist. Und so kam ich zu meinem Konzept: Metallrahmen und Latex.
Durch die einzigartige Form des getrockneten Latex und den Rahmen ergab sich für mich dann noch ein weiteres Thema, welches ich bearbeiten wollte. Es ergab sich ein Gedankenkarussell aus den Fragen: Geben die Rahmen halt? Oder beengen sie einen? Will man überhaupt dort ausbrechen? Kann man sich nur innerhalb seiner Möglichkeiten bewegen und auch existieren? Bieten diese Rahmen vielleicht auch Schutz? Muss ich mich in ihnen verbiegen, mich anpassen? Oder unterstützen sie mich in meiner natürlichen Form?
Die verschiedensten Gefühle, von Faszination bis Ekel, wurden von den Betrachtenden zum Ausdruck gebracht. Für mich war es ein tolles Gefühl, meinen Beitrag zum Symposium zu leisten und mir die Frage zu stellen, ob ich im Rahmen meiner Möglichkeiten etwas bewegen konnte.


Angelina Brems: Sollbruchstellen
Die ausgestellte Arbeit ist das Ergebnis eines langen Prozesses des Suchens und Findens, des Ausprobierens und Reflektierens. Die Idee und das Thema standen für mich schon lange fest: Ich wollte mich mit häuslicher Gewalt und Gewalt an Frauen auseinandersetzen und dieses Thema künstlerisch umsetzen. Besonders das Medium der Malerei ermöglichte es mir, meine Emotionen sensibel und doch klar zu verbildlichen. Farbe, Form, Körper – all das spricht auf eine Weise, die Worte manchmal nicht können
Ergänzt werden die Malereien durch ein Projektbuch. Darin ist der Schaffensprozess dokumentiert, der durch Gedichte zum Thema vertieft wird. Das Werk besteht aus vier Malereien in einer alternativen, nicht symmetrischen Hängung. Zu sehen sind abstrakte Frauenkörper in unterschiedlichen Posen des Fallens, Liegens, Sitzens. Die Farbpalette orientiert sich an den Farbtönen eines blauen Flecks – sie entstand organisch im Prozess.
Das Thema prägt mich nicht nur gesellschaftlich, sondern auch persönlich. Sollbruchstellen ist der Titel der gezeigten Arbeit. Als Sollbruchstellen bezeichnet man bewusst geschaffene Punkte oder Elemente in Materialien, die bei Belastung gezielt brechen sollen. Diese Sollbruchstellen finden sich auch in zwischenmenschlichen Beziehungen wieder. Durch Manipulation, Isolation und toxische Verhaltensweisen entstehen Bruchlinien in der Psyche eines Menschen. Sie ermöglichen psychische und physische Gewalt – und können im Extremfall in Mord oder Femizid münden. Besonders Frauen sind von häuslicher Gewalt betroffen.
Sollbruchstellen zeigt, was daraus resultiert.
Das Innere und das Äußere – nach und während der Gewalt.
Den Bruch.
Die Teilnahme am Symposium war eine bereichernde Erfahrung. Der offene Austausch und die Gespräche mit den Rezipient:innen haben mir wertvolle Einblicke ermöglicht und gezeigt, wie wichtig der Dialog über gesellschaftlich relevante Themen im Kontext künstlerischer Praxis ist. Die Resonanz auf meine Arbeit war intensiv, emotional, ernsthaft – eine Begegnungsebene, die ich als sehr bedeutsam erlebt habe.

Larissa Berberich: your body, my choice
Über die Ausstellung im Kontext des Symposiums erfuhr ich durch eine sehr gute Freundin. Sie hat mir von der Ausstellung und dessen Thematik „UnUmdenkbar“ erzählt und mich ermutigt, mit meiner künstlerischen Arbeit “your body, my choice” mitzumachen. Daraufhin habe ich mich beworben und durfte schließlich ausstellen.
Inspiration für die Arbeit fand ich im Text „Caliban und die Hexe“ von Silvia Federici. In diesem beschreibt Federici die Ausbeutung von Frauenkörpern, sowie gebärenden Körpern, in Form von Akkumulation und Reproduktion von Arbeit im Kapitalismus. Dieses Konzept lässt sich auch auf Tierkörper übertragen, wodurch mein Interesse geweckt wurde. Da ich selbst vegan lebe, setze ich mich viel mit Tierleid und Tierwohl auseinander. Zumeist werden in der Massentierhaltung ebenfalls gebärende Körper ausgebeutet: Nicht nur in der Eier- und Milchindustrie werden Legehennen und Milchkühe ausgenutzt, sondern auch in der Fleischindustrie. Die „stetige Mutter”, wie die Sau, muss ständig Nachkommen produzieren, um den menschlichen Schweinefleischkonsum abzudecken.
Mein Werk handelt von der Verbindung zwischen der Ausbeutung menschlicher, weiblicher und gebärender Körper mit tierischen, gebärenden Körpern. Dafür eignet sich das Prinzip der Collage besonders gut: Collagen setzen Dinge unterschiedlichen Ursprungs zusammen.
Das Material für die Digital-Collage nehme ich aus öffentlichen Debatten. Zusammengesetzt werden antifeministische TikTok Kommentare und Bilder aus der YouTube-Dokumentation „Dominion“ zur Massentierhaltung. Gewählt habe ich dafür eine Schriftart, die so auch in Kommentarspalten in Social Media verwendet wird. Gedruckt sind die Collagen auf Zeichenpapier. Als Format für die Bild-Text-Collagen nutze ich Din A5, welche unter anderem für Postkarten verwendet wird und somit den Aspekt der Öffentlichkeit wieder aufgreifen soll.
Durch die Präsentationsform im Postkartenständer wird die Assoziation weiter verstärkt und lädt zum Mitnehmen der Collagen ein. Da der Postkartenständer jedoch auf einem Sockel steht, welcher wiederum Teil des Gesamtobjekts ist, entsteht eine Hürde, das Kunstwerk zu berühren. “your body, my choice” bespielt die Grenze zwischen Kunst und Aktivismus. Die Arbeit will nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen und sich positionieren, sondern zitieren und Welt wiederspiegeln.



Autorinnen: Johanna Zimmermann, Angelina Brems und Larissa Berberich studieren an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg das Fach Kunst.

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