Rassismus ist nicht immer laut – oft zeigt er sich in Blicken, Worten, Erwartungen. Auch an Hochschulen. Höchste Zeit, darüber zu sprechen und den Nährboden für positive Veränderungen zu bereiten! Im Rahmen des „Festival contre le racisme“ begrüßte Rektorin Prof.in Dr.in Karin Vach am 13. Mai per Videobotschaft Referentin Dr. Preeti Purohit in der restlos gefüllten Aula. In einem eindrucksvollen Vortrag widmete sich Dr. Purohit dem Thema „Rassismus und seine Auswirkungen – theoretische Grundlagen, Alltagsrealitäten und Handlungsperspektiven“ – und rief das Publikum dazu auf, nicht nur zuzuhören, sondern auch hinzusehen, zu reflektieren und zu handeln.
Vortrag: Rassismus und seine Auswirkungen
Die Psychologin widmete ihre Promotion dem Thema „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Zivilcourage“. Sie arbeitet seit vielen Jahren in der Familienberatungsstelle der Caritas und ist therapeutisch in eigener Praxis tätig. Für ihre akademischen Leistungen und ihr soziales Engagement wurde sie mit dem DAAD-Preis ausgezeichnet. Nicht zuletzt hat sie bereits sowohl an der Universität Heidelberg als auch an der Pädagogischen Hochschule bereits Lehre ausgebracht. Die Teilnehmer:innen erwartete dadurch eine ausgewogene Balance aus Theorie und Praxis.
Federführend organisiert wurde die Veranstaltung von Busayo Akindele und Anna-Claire Nothof vom Studierendenparlament und mit ein wenig Support von PHeelGood.

Was ist Rassismus eigentlich?
Preeti Purohit machte deutlich: Rassismus ist keine bloße Meinungsäußerung oder ein individuelles Fehlverhalten – er ist eine historisch gewachsene Struktur. Eine Struktur, die Menschen abwertet, Hierarchien schafft und gesellschaftliche Ungleichheit festschreibt.
Rassismus tritt auf verschiedenen Ebenen auf:
- Strukturell: z. B. durch Benachteiligung beim Wohnungs- oder Arbeitsmarktzugang
- In Institutionen: etwa in Bildungseinrichtungen wie Schule und Hochschule
- Im Alltag: z.B. in Form von Othering und Mikroaggressionen
- In uns selbst: durch internalisierte Denkmuster, die oft unbewusst ablaufen
„Wo kommst du wirklich her, also ursprünglich?“
Und während es Nicht-Betroffenen gut geht, wenn sie gutgemeinte, aber unangemessene Fragen stellen wie: „Wo kommst du wirklich her, also ursprünglich? Woher kommt dein ungewöhnlicher Name? Ich interessiere mich für fremde Kulturen, wie ist es in deiner Heimat, erzähl doch mal?“ bedeutet es für BIPOC (Black, Indigenous and People of Color), sich immer wieder erklären zu müssen und sich dabei als fremd und andersartig zu fühlen. Das ist anstrengend und auf Dauer zermürbend. Mikroaggressionen wie z.B. abschätzige Blicke, das Vermeiden des Handschlags bei Begrüßungen oder kleine Bemerkungen sorgen zudem für eine fortdauernde Aktivierung des Stresssystems und eine gesteigerte Wachsamkeit im Alltag (Hypervigilanz).
Lebhafte Diskussion und Austausch von Sichtweisen
Dr. Purohit schilderte ihre eigene Erfahrung, u.a. wie sie nach über 20 Jahren in Deutschland auf einer Party von einer ihr flüchtig bekannten Person mit dem Satz „Na, vermisst du deine Heimat?“ begrüßt wurde. Wen dieser klägliche Smalltalk-Versuch beim Lesen bereits schmerzt, ist auf einem guten Weg.
Die Differenz in der Wahrnehmung zwischen von Rassismus Betroffenen und Nicht-Betroffenen wurde in der offenen und wertschätzenden Diskussion deutlich: „Ist es wirklich nicht in Ordnung, wenn ich mich doch einfach sehr für andere Kulturen interessiere und nachfrage?“ „Weißt du, ich bin nicht dein Geschichtsbuch und ich kann auch nur für mich selbst sprechen. Google doch einfach, wenn du was wissen willst.“ „Ich bin nicht dein Spektakel – lerne doch erstmal mich als Person kennen“.
Auch mit Blick auf den Umgang mit Diversität im Klassenzimmer konnten Fragen geklärt werden: „Wenn ich ein Kind in der Klasse habe, von dem ich weiß, dass es z.B. aus Indien kommt, kann ich es dann fragen, ob es sich in einer thematisch passenden Unterrichtseinheit dazu einbringen möchte?“ Die richtige Strategie sei es, das Kind nicht vor der Klasse zu fragen oder gar direkt als „Experten“ aufzurufen, sondern es im Vorfeld unter vier Augen zu fragen, ob es bei dem Thema aktiv mitwirken und Erfahrungen teilen möchte.

Veränderung beginnt mit dem Hinschauen
Zum Ende ihres Vortrags warb Dr. Purohit eindringlich für ein persönliches Engagement gegen Rassismus. Ihr Appell war klar: Jede:r kann Teil der Veränderung sein. Selbst kleine Schritte zählen.
Sie zeigte auf, wie das konkret aussehen kann:
- Bewusst wahrnehmen: Nicht wegsehen, sondern hinschauen – auch wenn es unbequem ist.
- Reflektieren: Eigene Denkmuster hinterfragen und Fehler eingestehen. „Man kann auch lernen zu sagen: Tut mir leid. Da habe ich etwas Falsches gesagt“.
- Bildung als Schlüssel: Bücher wie Exit Racism (Tupoka Ogette) oder White Fragility (Robin DiAngelo) liefern wichtige Impulse.
- Rassismus benennen: Schweigen hilft nicht – sprecht Diskriminierung offen an.
Ein Zuhörer merkte an, dass dies alles kleine Schritte seien und ob es denn Strategien für die Weiterentwicklung von Institutionen, wie z.B. Hochschulen gäbe. Preeti Purohit erläuterte, dass die erste Näherung mit dem Thema eine persönliche sein sollte, weshalb im Kontext des Vortrags der individuelle Zugang gewählt wurde. Institutionen wie Hochschulen könnten jedoch eine Menge tun, z.B. von der Schaffung entsprechender Stellen („Diversity-Management“), der Einrichtung von Antidiskriminierungsanlaufstellen über die Abbildung von Diversität bei der Neubesetzung von Professuren, rassismuskritische Lehre bis hin zu einem gelebten Leitbild, das Vielfalt und Antidiskriminierung explizit als zentrale Werte der Hochschule benennt.
Ihr Handlungsaufruf wurde durch ein flammendes Plädoyer aus dem Publikum bekräftigt: „Dieser Aufruf, vom System aus zu denken – fangt bei euch selbst an, denn ihr seid Teil des Systems! Als angehende Lehrkräfte entscheidet ihr darüber, was im Klassenzimmer passiert und ob Lehrbuchkapitel, die rassistische Stereotype reproduzieren, gelesen werden oder nicht. Wir sind die Zukunft des Systems und können viel verändern!“
Dem können wir nichts hinzufügen und freuen uns sehr, dass so viele Menschen da waren, um sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Was nehmt ihr aus dem Vortrag mit? Was bedeutet Veränderung für euch im Alltag oder im Bildungskontext? Schreibt uns in die Kommentare!
Zur Autorin: Chiara Dold ist verantwortlich für das hochschulische Gesundheitsmanagement.
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